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9/10. Ein Besuch der Galápagos-Inseln. Von Dr. Theodor Wolf, Staatsgeologe der Republik Ecuador in Guanaquil.

2 Theodor Wolf: [

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Uebersichts-Karte der Galápagos-Inseln.
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Ein Besuch der Galápagos-Inseln.

      Zwischden fünf-undsechshundert Seemeilen westlich von den ecuatorianischen Küsten liegt im Stillen Ocean der Archipel der Galápagos-Inseln, vom Aequator durchschnitten. Er bietet das seltene Beispiel einer grossen Inselgruppe mit herrlichem Klima, welche bei ihrer Entdeckung durch die Spanier, im sechzehnten Jahrhundert, von Menschen unbewohnt gefunden wurde, und bis auf den heutigen Tag dem Menschen nur zum vorübergehenden Aufenthalt dient, da die kleinen Colonisations — Projekte alle gescheitert sind.

      Die alte spanische Colonial — Regierung fümmerte sich sehr wenig um diese Inseln, welche nur zuweilen von den Wallfisch- und Robbenfängern besucht wurden und mitunter den Piraten als Schlupfwinkel dienten. Als sie später der Republik Ecuador zufielen, änderte sich in diesen Verhältnissen sehr wenig. Den einzigen ernstlichen Colonisations — Versuch machte der General Villamil in Jahre 1831 auf Floreana, oder Charles-Insel, und Darwin fand 5 Jahre später (Sept.

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1836) ein Dörfchen von zwei- bis dreihundert Einwohnern; aber von dieser Colonie existirt schon längst keine Spur mehr, und ihr rascher Verfall wird besonders dem Umstand zuge schrieben, dass Ecuador die Galápagos-Inseln zur Verbrecher Colonie und zum Verbannungsort machte, wodurch die Existenz ehrlicher Leute bald zur Unmöglichkeit ward. Floreana wurde zum Schauplass der grössten Verbrechen und unzähliger Mordthaten; der Rest der zulegt übriggebliebenen Räuberbande rieb sich zum Theil selbst auf, zum Theil entwich er auf den anlegenden Schiffen der Wallfischfänger. Seitdem sind die Inseln wieder nur Gegenstand vorübergehender Speculationen, wie z. B. gegenwärtig der Ausbeutung der Orchilla (1).

      Unter solchen Umständen ist es begreiflich, dass man über die physische Beschaffenheit, über Thier-und pflanzenwelt der Galápagos-Inseln bis vor kurzer Zeit nicht viel Zuverlässiges wusste(2). Erst seitdem Darwin, der scharfsinnigste NaturBeobachter unserer Zeit, auf seinen Reisen mit dem Beagle sie besuchte und als eine sehr eigenthümliche Inselwelt bekannt machte, wurden fie unter den Naturforschern häufig genannt, und zogen die Aufmerksamkeit der Geologen, Botaniker und Zoologen in gleich hohem Grade auf sich. Wer läse nicht mit Interesse Darwin's Schilderungen jener vulkanischen Eilande, auf welchen sich tausende von zum Theil noch entzündeten Feuerschlünden auf kleinem Raum zusammendrängen, der merkwürdigen Thier-undPflanzengeschlechter, die sich sonst auf dem ganzen Erdenrund nicht wieder finden, und wo


      (1) Die in der Färberei benüste Orseille-Flechte, Rouella-Art.
      (2) Die besten ältern Nachrichten gaben Dampier und Cowley, welche beide im Jahre 1684 den Archipel besuchten; von letzerem stammen auch die englischen Namen, unter denen die Inseln jeztt bekannt sind, denn früher hatten fie spanische.

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uns besonders die eigenthümlichen Reptilien an die Urzeiten der Geologie erinnern?(1) — Niemand wird sich wundern, dass ich seit meiner Ankunft in Ecuador mich mit dem Wunsche trug, diese Inseln, welche mir nun näher als tausenden meiner Fachgenossen lagen, zu sehen. Schon vor mehreren Jahren, während meines Aufenthaltes zu Quito, hatte die Regierung der Republik den Plan, eine kleine naturwissenschaftliche Expedition nach dem Archipel auszurüsten, an der ich als Geolog Theil nehmen sollte, allein das Projekt scheiterte an allerlei Schwierigkeiten, und erst in meiner freiern Stellung in Guaya quil jollte ich Gelegenheit finden, meinen Wunsch zu erfüllen.

      Seit einigen Jahren kann man regelmässig alle zwei bis drei Monate vom Hafen von Guayaquil nach den Inseln kommen, seitdem nämlich Herr Valdisan von Santa Elena dort init fünfzig bis sechzig Arbeitern die Orchilla sammelt und zu deren Transport ein eigenes Schiff hält unter Führung des Kapitän Petersen aus Flensburg. Obgleich eine solche Gelegenheitsfahrt, bei welcher man nicht einem eigenen Plane folgen kann, keine bedeutenden naturwissenschaftlichen Resultate hoffen liess, so glaubte ich dennoch, meine damals freie Zeit gut damit zu verwenden, und ich danke es besonders der freundlichen Zuvorkommenheit des Herrn Kapitän Petersen und der bereitwilligen Unterstüssung des Herrn Valdisan, dass ich mehr von jenen Inseln sah, als ich gehofft hatte. Wenn ich nun einige Notizen aus meinem Reisetagebuch mittheile, so geschieht dies besonders, um dem Wunsche einiger Freunde zu entsprechen. Es find fragmentarische Beobachtungen, und machen dieselben durchaits keinen Anspruch darauf, eine Na-


      (1) Ch. Darwin's naturwissenschaftliche Reisen. Deutsch von E. Dieffenbach. Braunschweig 1844.

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turbeschreibung der Inseln zit liefern; erst wenn es mir vergönnt sein sollte, auf einer zweiten Reise auch die Nordhälfte des Archipels zu besuchen und meine naturhistorischen Sammlungen zu vervollständigen, würde ich mich vielleicht zu einer umfassenderen Arbeit über die Galápagos-Inseln entschliessen.

      Am 1. August 1875, Morgens 8 Uhr, lichtete der kleine Schooner "Venecia" " im hafen von Guayaquil den Anker, und wir trieben mit der Ebbe den breiten und majestätischen Strom hinunter. Segelschiffe können beim Ausfahren aus dem Guayaquil — Fluss gewöhnlich den Wind nicht benüssen und sind genöthigt, bei eintretender Fluth (diese steigt viele Meilen weit über Guayaquil hinauf stromaufwärts) jedesmal zu ankern und die nächste Ebbe abzuwarten. Wir mussten bis zum Ende der Insel Puná, am Ausfluss des Stromes, 4mal den Anker werfen und brauchten zu dieser kurzen Strecke von kaum 50 Seemeilen 2 Tage. Dies Abwarten der Ebbezeit ist ziemlich langweilig und bei der grossen Hisse auf dem Fluss und den Schwärmen der blutdürstigen Mosquitos sehr lästig. Ich machte unterdessen Temperatur-Beobachtungen im Flusswasser, und bemerkte, dass die Wärme desselben mehr und mehr abnahm, je näher wir dem offenen Meere kamen, D. h. je mehr sich das Flusswasser mit dem Meerwasser mischte. Bei Guayaquil hat der Strom 27° C. (dies ist die mittlere Temperatur des Wassers in Guayaquil das ganze Jahr hindurch); zehn Seemeilen weiter unten, bei der Fluss — Insel Mondragon, 25° C., fünf Meilen weiter, gegenüber dem Dorfe Puná, 24° C., und bei der Punta arena, in der Nähe der Südspisse der grossen Insel Puná, an unserem letzten ankerplatze, 23° C. An lesterem Orte befanden wir uns bereits in fast reinem Seewasser, im breiten Golf von Guayaquil; ein frischer Seewind machte die Benüssung der Segel möglich

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und fühlte zugleich die Luft bis auf 22—24 Grad ab. Wenn man mehrere Monate in einer ständigen Hisse von 28 bis 30 Grad gelebt hat, wird die Haut so empfindlich, dass einem die Nächte mit 21 bis 22 Grad ordentlich kalt vorkommen.

      3. August. Nachdem wir Morgens 7 Uhr zum letztenmal den Anker gelichtet, kreuzten wir der Küste entlang gegen Südwest bis zur Bai von Tumbes hinunter, um dann mit günstigerem Wind desto leichter und rascher an die Punta de Santa Elena gegen Nordwest zu segeln. — In der Nähe der Küsten ist die Seefahrt immer am unterhaltendsten, weil man da viel mehr Thiere zu sehen bekömmt, als auf dem weiten Ocean draussen. Schon die vielen Seevögel, welche entweder pfeilschnell über die Wasserfläche hingleiten und vom Kamm der Wellen ihre Nahrung auflesen, wie die zierlichen Seeschwalben, oder hoch in der Luft kreisen und dann plösslich senkrecht wie ein Stein in's Meer stürzen, um einen Fisch zu haschen, wie die Pelikane und Fregattenvögel, gewähren Unterhaltung. Das Meer war stellenweise von Scheiben-undGlockenquallen bedeckt, von denen einige einen Fuss im Durchmesser haben. Man muss diese Thiere nicht auf dem Trockenen, wo sie nur einen Gallertklumpen darstellen, noch in den verbleichten und verschrumpften Spirituspräparaten der Museen, sondern in ihrem krystall'nen Lebenselement, im tropi schen Ocean beobachtet haben, um zu begreifen, welchen Reiz ihre Farbenpracht und zierlichen Fadenorgane dem Meer ver leihen, wenn sie in grossen Schaaren dahinflottiren. Massenhaft erschienen die possirlichen Delphine, welche man Schwein-fische, hier zu Land bufeos (Spaszmacher) nennt und welche 5 bis 6 Fusz lang sind. Sie zeigen sich selten einzeln, fast immer in Retten von 15 bis 20 Stück, oft von einem gewaltigen Hai, ihrem grössten Feinde, verfolgt. Einer schwimmt

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genau hinter dem andern, und macht einer einen Sprung aus dem Wasser was jeden Augenblick geschieht —, so machen es ihm alle folgenden an derselben Stelle nach. Stundenlang schwimmen diese fischartigen Säugethiere hart neben dem Schiff her, und nioch lieber gerade vor dem Schiffsschnabel, wo sie fich oft ganz drollig geberden, die lustigsten Sprünge machen und leicht harpunirt werden können. Was mag diese Thiere so sehr an die Schiffe fesseln s Wohl nicht die Nahrung, denn sonst würden sie denselben eher folgen, wie die Haie, als zur Seite oder gar vorausschwimmen. Ist es vielleicht der Glanz des Kupferbeschlages, der sie anzieht, oder nur die Lust, sich in dem aufgewühlten Wellenstrudel zu tummeln s Gegen Abend nahmen wir die Richtung nach Nordwest und waren bei Anbruch der Nacht an Santa Clara, einem kleinen kahlen Felseneilande, auf welchem ein Leuchtthurm steht.

      4. August. Die Nacht hindurch waren wir gut gesegelt und hatten ungefähr 50 Seemeilen zurückgelegt, so dass wir in der Frühe bereits die Punta de Santa Elena in Sicht hatten. Gegen 8 Uhr beobachteten wir lange Zeit ganz in der Nähe des Schiffes zwei grosse Wallfische, sie verfolgten sich gegenseitig neckend und spielend, schlugen gewaltige Purzelbäume und spristen von Zeit zu Zeit prachtvolle Wasserstrahlen gleich Springbrunnen in die Höhe. Diese Riesen des Meeres halten sich besonders in gewissen Monaten des Jahres, wenn sie Junge haben, in der Nähe der Küsten auf und dann ist der Wallfischfang hier so einträglich wie im hohen Norden. Eine noch bessere Gegend dafür ist das Meer um die Galápagos-Inseln. Was aber heute meine Aufmerksamkeit noch mehr auf sich zog, war die grosse Menge Wasserschlangen um die Landspitze von Santa Elena. Sie sind zwei Fuss lang, auf dem Rücken schwarz und auf dem Bauche schön goldgelb.

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      Obwohl sie sich manchmal ganz nahe an der Seite des Schiffes zeigten, gelang es mir leider nicht, eine herauszufischen und so weiss ich nicht, zu welcher Gattung sie gehören, eben so wenig, ob sie giftig sind (1). Kapitän Petersen jagte mir, dass er sie zu jeder Jahreszeit und immer nur in dieser Gegend beobachtet habe. — Gegen Mittag bogen wir um die Punta herum, fuhren östlich und ankerten um 3 Uhr in der Bai von Santa Elena. Die Venecia legt auf jeder Reise hier an, um den Familien der Orchilla-Sammler, welche beinache alle aus dem Canton von Santa Elena sind, Gelegen heit zu geben, den Ihrigen Briefe, Lebensmittel, Kleider u. s. w. nach den Inseln zu senden. Wohl über zweihundert Personen, meist Frauen, versammeln sich bei dieser Gelegenheit am Lan dungsplas Ballenita, welche alle einzeln vom Kapitän über die Ihrigen mündliche Auskunft verlangen und so viele Be stellungen und ebenfalls Aufträge mitzugeben haben — die wenigsten fönnen schreiben — dass der Kapitän ein aussergewöhnliches Gedächtnis haben müsste, wenn er nur den vierten Theil davon behalten könnte. Da der Aufenthalt über einen Tag dauerte, ging ich in den 1/2 Stunde entfernten Flecken Santa Elena hinauf und brachte die Zeit bei einigen alten Bekannten und Freunden zu. Ich habe den eigenthümlichen Character der Gegend von Santa Elena, ihren petroleum haltigen Boden und ihre Salinen in einer früheren Reise-beschreibung geschildert und füge hier nichts weiter bei. Am 5. August, Abends 8 Uhr schifften wir uns wieder ein und bereiteten uns zur Abfahrt.

      6. August. Schon um 5 Uhr hob sich der Anker und nun ging es, nachdem wir wieder die westliche Punkta passirt,


      (1) Es ist vielleicht die in ganz Polynesien vorkommende, giftige Pelamys bicolor.

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hinaus auf den weiten Ocean. Santa Elena liegt zwei Breitegrade südlicher, als die Galápagos-Inseln, diese also nach WNW.; allein bei der Ueberfahrt hält das Schiff nicht auf diese Richtung zu, sondern gegen W. und sogar oft gegen SW., wegen der starken Meeresströmung, welche anfangs der Küste entlang von S. nach N. und später von SO. nach NW. läuft und das Schiff von selbst in nördlichere Breiten treibt. Am Nachmittage verschwanden die Küsten von Ecuador, in dessen Hauptstadt fich an diesem Tage eines jener furchtbaren Dramas abspielte, welche nur zu oft die südamerikanischen Republiken erschüttern. Der Präsident Garcia Moreno wurde am hellen Mittage, als er zum Regierungspalast ging, auf dem Hauptplass von Quito mit Dolchstichen, Messerhieben und Revolverschüssen von einer kleinen Anzahl Verschworener ermordet. Ich erfuhr dies folgenschwere Ereigniss erst beinahe zwei Monate später, als ich mich auf der Insel Albemarle befand.

      7. August. Um Mittag befanden wir uns unter 1° 10' südl. Br. und 82° 46' westl. L. von Greenwich, 110 engl. Meilen von der Küste entfernt, und dennoch zeigten sich noch manche Seevögel, verschwanden aber jesst rasch; nur drei kleine Seeschwalben (Sterna) begleiteten unser Schiff bis nach den Inseln, sie pickten die Küchenabfälle auf, welche über Bord geworfen wurden, und ruhten hie und da auf den Segelstangen aus. — Ich beobachtete regelmässig alle paar Stunden die Temperatur des Meerwassers. Von der Insel Punà im Golf von Guayaquil an zeigte der Thermometer constant 23° C. bei einer Lufttemperatur, welche zwischen 21 und 24° C. schwankte. Aber heute um 12 Uhr stieg die Wärme des Wassers auf 24 und Abends um 9 Uhr auf 25 Grad.

      8. Auguft. Morgens 6 Uhr war die Temperatur des

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Meeres 26° und hielt sich auf diesem Grad bis wir uns den Inseln näherten. Der Wind war stark und günstig, so dass wir uns um 12 Uhr schon unter 85° 16' westl. L. und 0° 54' südl. Br. befanden. Die fliegenden Fische aus der Gattung Exocetus waren ungemein häufig und erhoben sich schaarenweise aus dem Meer.

      9. Augu1st. Wir fuhren immer mit gleich starkem Winde, beinahe 9 Seemeilen in der Stunde zurücklegend, aber das Wetter war unfreundlich und der Himmel bedeckt. Der erste Seevogel, der uns von den Inseln entgegenkam, war ein gewaltiger Albatross, allmählich zeigten sich noch andere. Die Temperatur des Meeres fiel auf 25, gegen Abend auf 24 Grad. Es war heute keine Sonnenbeobachtung möglich, was um so misslicher war, als wir uns bald im Meridian der östlichsten Inseln befin1den mutzten. Seeleuten, welche mit den Strömungen dieser Gewässer weniger bekannt sind, als Kapitän Petersen, ist es öfters passirt, dass sie an den Inseln vorbeigefahren sind, und noch vor einigen Jahren kehrte ein Kapitän unverrichteter Dinge wieder nach Guayaquil zurück, nachdem er dieselben einen Monat lang vergebens gesucht hatte. Glücklicherweise meldete ein Matrose vom Mastkorb, gerade noch vor Einbruch der Nacht, Land in nordwestlicher Richtung. Der Kapitän kletterte selbst hinauf und erkannte alsbald den Pan de azucar (Zuckerhut), einen Kegelberg auf der Nordostspisse der Insel Chatham. In jener Gegend inusste gegenwärtig das Lager der Orchilla — Sammler sich befinden, und wir wollten zuerst dort anfahren. An der Ostseite von Chatham gibt es keinen guten Ankerplass, und da das Meer sehr aufgeregt war, beschloss der Kapitän die Nacht über an der Küste zu freuzen. Allein gegen Mitternacht erhob sich ein förmlicher Sturm, der uns zwang, die Küste zu

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meiden und wieder in's offene Meer zurückzufahren, um der Gefahr des Scheiterns zu entgehen.

      10. August. Am Morgen befanden wir uns weit gegen Süden von Chatham verschlagen und bekamen bald die Insel Hood in Sicht. Herr Petersen versicherte mir, dass er in 10 Jahren keine solche Nacht in diesem Meer erlebt habe und dass dieser Sturm ein ganz aussergewöhnliches Ereigniss gewesen sei; denn in keinem andern Theil heisst diejer Ocean mit mehr Recht der pacifische oder stille, daher man es wagte in ganz kleinen Schalupen von Guayaquil nach den Inseln zu fahren. Das Einzige, was man gewöhnlich zu fürchten hat, sind die sehr starken Strömungen des Meeres. — Im Verlauf des Vormittages liess der Sturmwind allmählich nach, aber die See ging noch hoch, und nur mit viel Zeitverlust und grossen Schwierigkeiten hätten wir jekt an die Nordspisse von Chatham kommen können, daher segelten wir direkt nach Floreana (Charles-Insel), in welcher Richtung uns der Wind begünstigte. Ich bedauerte zwar, so nahe an Hood vorbei zu fahren, ohne die Insel betreten zu können; doch dürfte sie nach dem, was ich über sie hörte und aus der Ferne selbst sah, von allen die am wenigsten interessante fein. Sie besigt einen ovalen Umriss, dessen grösster Durchmesser nur 8 Seemeilen beträgt. Im ganzen Umkreis (chwillt der Boden gleichförmig dem Mittelpunkt zu an und bildet dort eine flache Wölbung. Die Erhebung beträgt nach den englischen Seekarten nur 640 Fusz oder 195 Meter. Die Einförmigkeit und Gleichmässigkeit dieses Gewölbes wird hier und dort durch einen unbedeutenden flach — kegelförmigen Schlackenhügel unterbrochen. Mit einem guten Fernrohr unterschied ich die grauliche fast blätterlose Vegetation, welche den braunen Lavaboden spärlich bedeckt, wie ich sie später auf allen Inseln in der

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untern Region fand. Als zoologische Merkwürdigkeit führe ich an, dass der Albatross diese Insel, und nur diese, in solcher Menge bewohnt, dass das ganze Lager der Orchilla — Sanimler (über 60 Mann) einen Monat lang hauptsächlich von dessen Eiern lebte, obwohl jedes Weibchen nur ein Ei legt. Es ist wahrscheinlich der weit verbreitete Albatross vom Aap der guten Hoffnung (Diomedea exulans), welcher auch um Rap Horn sehr häufig vorkommnt. — Hood ist nicht cultivirbar; alle Personen, welche dort waren, schilderten mir lebhaft die furchtbare Rauhheit der Lavafelder, welche die ganze Insel bedecken; zudem gibt es daselbst keinen Tropfen Sütswasser, weil sich das in der Regenzeit fallende nirgends ansammeln kann und sofort in die porösen Lavaschichten einsickert. Diese Insel reicht nicht in die feuchte Höhenregion, in welcher sich in diesem ganzen Archipel die Lava zersesst und im Verein mit einer üppigern Vegetation fruchtbare Dammerde bildet. In diesen Verhältnissen stimunt Hood mit Barrington überein, das ich genauer kennen lernte. — Der Thermometer sank im Meer wasser am Morgen auf 234/2 und in der Nähe von Hood auf 23 Grad, welchen es nun auch ständig, auf allen meinen Hin-undHerfahrten zwischen den Inseln behielt. Ich füge sogleich bei, dass ich auf der Rückfahrt nach Guayaquil im November ganz gleiche Beobachtungen machte. Aus denselben geht hervor, dass im Galápagos — Archipel ganz dieselbe für die Tropenzone ziemlich niedrige Meerestemperatur von 23° C. herrscht, wie an den Küsten von Guayaquil, und dass diese Gewässer von einem um 3° C. wärmern von Südost nach Nordwest laufenden Meeresstrom getrennt sind; fèrner, dass der Uebergang vom kältern zum wärmern Wasser allmählich geschieht und nicht so plöblich, wie man ihn hie und da an den Grenzen der verschiedenen Meeresströmungen beobachtet hat.

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      Von Hood bis Floreana sind es 40 Seemeilen. Schon am Mittag waren wir der Gardner-Insel nahe, einem der kleinen Eilande, welche gegen Ost der Hauptinsel vorliegen und aus dem Meer auftauchende Kraterspissen von sehr charakteristischer Form sind. Gardner-Insel ist das bedeutendste derselben, von 760 Fuss Höhe, aber die niedrigere Caldwell-Insel zeigt die Kraterform am ausgeprägtesten. Floreana selbst trat nur unvollständig von Zeit zu Zeit aus dem dichten Wolkenschleier, als wir schon nahe dabei waren. Als wir um dessen Nordspitze herum in die Post-office-Bay einliefen, ward das Meer so ruhig wie ein kleiner Landsee, was mir nach den Legten 24 stürmischen Stunden um so angenehmer auffiel. Offenbar ist dies der beste Hafen und Landungsplatz der Insel und einer der schönsten im ganzen Archipel, allein er wird wenig benüsst, weil er von den Wohnplässen zu weit entfernt liegt. Wir fuhren daher durch und (mit Gegenwind) an die Westseite nach dem Black-beach-Road, oder der Rhede der Playa prieta, was spanisch dasselbe besagt, wo der gewöhnliche Ankerplass ist. — Ich werde mich fortan bald der spanischen, bald der englischen Ortsnamen bedienen, je nachdem hier diese oder jene gebräuchlicher sind. So kennt man z. B. die Charles-Insel hier zu Land nur unter dem ältern Namen Floreana, James-Insel unter dem von Santiago, während sich in andern Fällen die Spanier den von den englischen Seefahrern eingeführten Benennungen fügten; auch sind manche der letztern blos Uebersetzungen der ältern spanischen, in welchem Falle diese den Vorzug verdienen.

      Abends 6 Uhr lag die Venecia wenige Meter vom Ge stade vor Anker, und ich konnte jesst mit Musse ein von den Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtetes, höchst eigenthümliches Landschaftsbild betrachten. Wenn man so rasch

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aus der herrlichen Tropen-Vegetation von Guayaquil nach diesen Inseln versekt wird, so besinnt man sich zuerst, ob man sich denn wirklich unter dem Aequator und nicht vielmehr in einer nordischen Gegend befinde. Ich wusste zivar wohl, dass ich kein reizendes Tahiti fehen werde, aber etwas angenehmer hätte ich mir den Anblick der Galápagos-Inseln doch vorgestellt. Der erste Eindruck, den man empfängt, ist traurig, melancholisch und fast niederschlagend. Zwischen dem spärlichen weisslichgrauen Gestrüpp scheint allenthalben der schwarzbraune Lavagrund durch, so dass die ganze Landschaft einförmig graubraun erscheint; nur die höchsten Berggipfel schimmern in schwachem Grün. Eine Todtenstille herrscht in der ganzen Natur. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass der erste Eindruck oft täusche, und dass diese Inseln doch der wissenschaftlichen Beobachtung ein grosses Feld bieten. —

      Da es schon spät war, gingen wir nicht mehr an’s Land und schliefen an Bord.

      11.-15. August. Floreana ist die Insel, auf welcher einst Villamil feine Colonie gründete und ein kleines Dorf bestand, das aber längst wieder verschwunden ist. Herr Valdisan hat 1/2 Stunde von der Playa prieta landeinwärts ein bequemes Haus gebaut und daneben steht noch eine armselige Hütte, welche nur zeitenweise bewohnt wird. Dieser Ort liegt 133 Meter über dem Meeresniveau. Eine Stunde weiter im Innern, im höhern Theil der Insel, gründete derselbe Herr eine kleine Hacienda, an der Stelle des alten Dorfes, welche von vier bis fünf Arbeitern cultivirt wird und die wandernde Orchilla-Compagnie mit Bananen, Bataten, Kartoffeln, einigen andern Gemüsen und Früchten versorgt. Zur Zeit meiner Anwesenheit lebten 14 bis 18 Personen (Frauen und Kinder mitgerechnet) auf der Insel. — Am frühen Mor-

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gen schiffte ich mich aus und ging mit Kapitän Petersen zu den Häusern hinauf, wo uns durch Frau Valdisan — er selbst war auf Chatham — eine freundliche Aufnahme wurde.

      Ein Blick auf die Uebersichtskarte zeigt, dass die Hauptmasse und zwar die fünf grössten der Galápagos-Inseln s), Albemarle, Narborough, Fames, Indefatigable und Chatham, zwischen dem Aequator und dem ersten Grad füdlicher Breite liegen. Nur die drei kleinen Inseln Abington, Bindloe und Tower fallen jenseits der Linie (zwei ganz unbedeutende Felseneilande, Culpepper- und Wenman-Insel, liegen 80 Seemeilen nordwestlich von Abington und sind auf der Karte nicht mehr sichtbar), und die nicht viel grössern Inseln Hood und Floreana süd lid vom ersten Grad. Gewöhnlich gibt man die Zahl der Galápagos-Inseln zu dreizehn an, wobei man ausser den genaunten noch Barrington, Duncan und Jervis mitzählt, die unzähligen kleinen Eilande und Felsen aber, welche die Hauptinseln umgeben, und von welchen bei weitem nicht alle in die Karte eingezeichnet sind, unberücksichtigt lätzt. i— Ich konnte auf meiner Reise nur die Südhälfte des Archipels, nämlich die Inseln Floreana, Chatham, Barrington, Indefatigable und den südlichen Theil von Albemarle kennen lernen, was ich besonders bemerkt haben will, damit man meine folgenden Beobachtungen und Schilderungen nicht zu voreilig auf den ganzen Archipel anwende, obgleich es nach dem, was ich durch zuverlässige Personen, besonders Kapitän Petersen, in Erfahrung brachte und wir von frühern Reisenden wissen, wahrscheinlich ist, dass das Meiste auch für die Nordhälfte gelte; ja, dieselbe scheint an Organismen noch ärmer zu sein, da-


      (1) Von Nicht-Spaniern wird der Name Galápagos gewöhnlich falsch ausgesprochen, indem sie die vorletze Silbe accentuiren und lang machen, während doch der Ton auf der drittletzen, auf dem accentuirten á liegt.

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Floreana oder Charles-Insel,
aufgenommen im August 1875.
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gegen die geologischen (vulkanischen) Phänomene ganz gleich förmig, vielleicht ausgeprägter, aufzuweisen.

      Der Galápagos-Archipel liefert eines der schönsten Bei spiele einer rein vulkanischen Inselgruppe. Die Inseln find weder durch Zertrümmerung eines ausgedehntern Landes (viel weniger durch Ablösung vom südamerikanischen Festlande), noch durch Hebung des alten Seegrundes entstanden, sondern einfach durch allmähliche Aufhäufung vulkanischer Auswurfs massen, durch vulkanische Eruptionen, welche zuerst unterseeisch und später überseeisch stattfanden. Nirgends ist eine Spur eines ältern gehobenen Grundgebirges zu entdecken, nirgends auch ein Beweis für grosse Senkungen oder Hebungen aufzu finden, kleine Localerscheinungen an einzelnen Vulkanen aus genommen, welche aber auch auf kleine Localursachen zurück zuführen sind. Die Meerescanäle, welche die Inseln trennen, sind fast überall ungemein tief. An den meisten Inseln kann man ganz deutlich sehen, wie sie sich von einem Mittelpunkt aus (gewöhnlich ein Hauptkrater) durch Lava-Ergiessungen ver grössert und ihren Umfang nach allen Richtungen zumal, oder nach einer vorherrschend, ausgedehnt haben, während sie zu gleich an Höhe zunahmen. Mit der Zeit bildeten sich dann viele Seiten-undNebenfrater. Dies einfache Verhältniss zei gen besonders schön Indefatigable und das schauerlich öde Nar borough, welches ich aber nur aus der Ferne, von den Bergen auf Albemarle aus, sah, und welches einen noch nicht erlosche nen Centralkrater von enormem Umfang besikt. In andern Fällen haben sich zwei benachbarte auf besagte Weise gebildete Inseln zu einer einzigen vereinigt, die dann eine langgestreckte Gestalt annahm. Dies war ganz sicher der Fall bei Albe marle und Chatham, bei welchen beiden die Nordhälfte von der Südhälfte durch einen niedrigen flachen Isthmus getrennt

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wird, und ich vermuthe, dass auch die Nordhälfte von Albe marle ihrerseits wieder durch drei ursprüngliche Inseln, jede mit einem colossalen Centralkrater, gebildet wurde, obwohl jesst ein fortlaufender Höhenzug die Hauptkrater verbindet. Wenn man diesen Zug allein betrachtet, so könnte man geneigt sein, von Reihenvulkanen zu sprechen. Auch auf andern Inseln, besonders auf Chatham, James und Süd-Albemarle zeigen die Hauptgipfel eine lineare Stellung, aber die Linien folgen nicht derselben Richtung, kreuzen sich verschieden in ihrer Verlängerung und sind zudem verhältnismässig kurz, so dass man im Hinblick auf das Ganze immerhin die Galápagos Inseln besser zu den Gruppenvulkanen rechnet.

      Geologisch gesprochen hat diese ganze Inselwelt ein jugend liches Alter und ihre Entstehung reicht sicher nicht über die Tertiär-Periode hinauf, ja manche Theile sind offenbar noch viel jünger und ihre Bildung fällt in die recente poche. Dem Botaniker und Zoologen muss dies besonders interessant sein, da sich auf diesem jungen Archipel in verhältnissmässig kurzer Zeit so viele endemische Pflanzen-undThierformen ge bildet haben, und zwar offenbar aus ältern vom südamerika nischen Festlande her eingewanderten Geschlechtern.

      Diese vulkanische Formation steht in feiner Beziehung zu der viel grossartigeren, welche unter demselben Breitengrade, aber um 12 Längengrade östlicher, das Hochland von Quito bildet; beide sind petrographisch durchaus verschieden, legtere besteht aus trachytischem und andesitischem Material, während die Galápagos-Inseln ganz aus basaltischen Ge steinen zusammengesesst sind.

      Noch am selben Tage meiner Ankunft auf Floreana be gann ich meine Ausflüge und meine Sammlungen. Ich war viermal auf dieser Insel, werde aber hier Alles zusammen

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fassen, was ich darüber zu sagen habe. Obwohl Floreana nur zwei geographische Meilen im Durchmesser hat, so braucht man doch viele Tage, um es nur einigermassen kennen zu Vernen, denn es gibt eigentlich nur einen Weg, nämlich den vom Landungsplass zur Hacienda hinauf, und zu allen übrigen Orten muss man ohne Weg zu kommen suchen, was besonders im untern dürren Theil der Insel sehr schwierig ist, so dass man oft in einer Stunde faum ein paar hundert Meter zurück legt, wobei die Vegetation, krüppelhaftes Gestrüpp, das ge ringste Hinderniss bildet; die Hauptschwierigkeit liegt in dem schrundigen, zerklüfteten, furchtbar rauhen Lavaboden, welcher an der Oberfläche nur aus grossen scharffantigen Gesteinsblöden besteht.

      Von den kleinen Inseln besigt Floreana die mannigfal tigste Reliefform und unterscheidet sich durch die bedeutende Zahl ziemlich hoher, nahe zusammenstehender Regelberge, was ihr, aus einiger Entfernung gesehen, einen malerischen Cha rafter verleiht. Ihr Umriss ist beinahe rund, erhält aber den = noch ziemlich viele Abwechselung durch verschiedene Einschnitte und Buchten des Meeres, welche durch vorspringende Lavaströme und Schlackenberge bedingt werden. Das Kärtchen zeigt dies besser als eine lange Beschreibung. Wie bei Hood und fast allen andern Inseln, steigt der Boden vom Gestade aus ringsum ganz allmählich dem Innern zu an und bildet dort eine flache Wölbung oder ein Hochplateau, welches 800 bis 900 Fuss Höhe besikt, aber sich sehr uneben gestaltet und mit Kegel bergen überfäet ist, die eine absolute Höhe von 14- bis 1700 Fuss haben; ja, der Cerro de paja, der höchste Punkt der Insel, welchen man auf dem Weg von der Playa prieta nach der Hacienda rechter Hand lässt, ragt beinahe zu 2000 Fuss empor. Wenn wir von den Schlackenbergen der untern Region die

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jenigen mitrechnen, welche wenigstens 200 Fuss Relativhöhe. über ihrer nächsten Umgebung besiken, so beläuft sich ihre Zahl auf 24 bis 25 (auf einem Areal von 4 Meilen!). Dazu kommen noch drei, als isolirte Inselchen aus dem Meer auf ragende Berge: Gardner- (7604), Caldwell- (210 “) und Enderby Insel (330). Diese drei, nebst dem mauerförmigen, von einem Thor durchbrochenen Watson-Felsen und einem Ringwall auf der Nordspisse der Hauptinsel, sind um Floreana die einzigen Ueberreste einer ältern vulkanischen Tuff-Formation, von welcher ich später mehr reden werde; alles Uebrige besteht aus schwarz brauner schlackiger Lava der jüngern Formation. -- Die ganze Insel übersieht man mit einem einzigen Kundblick vom Cerro de paja aus, wo man bei gutem Wetter auch eine prachtvolle Fernsicht geniesst. Von jeder der Galápagos-Inseln aus sieht man noch einige Nachbar-Inseln. Auf Floreana erblickt man deutlich Süd-Albemarle, mit den vorliegenden Brattle-undCrossman-Inseln, ferner Indefatigable, Barrington und bei sehr hellem Wetter die Berge von Chatham.

      Das Klima ist gemässigt, ja sogar kühler, als man bei der geographischen Lage, fast unter dem Aequator, erwarten sollte, und sehr gesund. Freilich ist zu gewissen Stunden des Tages und bei vollkommener Windstille die Hisse auf den schwarzen kahlen Lavafeldern erstickend, aber gewöhnlich fühlt der Seewind die Luft bedeutend ab. Im Hause des Herrn Valdisan, welches nur 436 engl. Fuss über der Playa prieta liegt, schwankte der Thermometer zwischen 19 u. 21° C. und in der Hacienda auf dem Hochplateau, in einer Höhe von kaum 900 Fuss, ist die mittlere Temperatur 18 bis 19° C. Wie ich schon früher bemerkte, werden die Inseln von einem Meer mit 23° C. Temperatur umspült. Die Regenzeit fällt in die Monate von Februar bis Juni, ist aber sehr unregelmässig,

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gewöhnlich sehr kurz, und oft bleibt sie ein oder zwei Jahre lang ganz aus. Im höhern Theil der Insel (über 800 Fuss) fällt übrigens das ganze Jahr hindurch häufig, aber jedesmal sehr wenig Regen. Gerade während meiner Anwesenheit (August bis October) waren die sogenannten garruas, d. h. feine Staub regen, ziemlich stark und wiederholten sich hie und da in einem Tage fünf- bis sechsmal, dauerten aber jedesmal kaum eine halbe Stunde. Sie beschränkten sich auf das Hochplateau und reichten nur hie und da bis zum Hause Valdisan’s herab, wo aber 5 Minuten Sonnenschein hinreichten, um ihre Spur ver schwinden zu machen. Die ganze breite untere Zone bis zur Höhe von 400—500 Fuss ist beinahe regenlos und muss sich mit dem Wasser einiger Winterregen begnügen, welches sich sehr rasch in der porösen rissigen Lava verläuft oder an der Oberfläche verdunstet. Bei diesen Verhältnissen machen sich die zwei Jahreszeiten in der Vegetation nicht so bemerklich, wie in andern tropischen Gegenden (z. B. in den Ebenen von Guayaquil); die obere Region bleibt immer grün, die untere selbst im Winter beinahe gleich dürr und öde. — Im südöst lichen Theil der Insel, auf der Seite der herrschenden See winde (des südlichen Passats), reicht die feuchte Region fast 200 Fuss weiter gegen das Meer hinab, als auf der Nord westseite, und dies beobachtet man gleicherweise an den übrigen Inseln.

      Mit der ungleichen Vertheilung der Feuchtigkeit hängen auf's genaueste die Vegetationsverhältnisse zusammen.-Machen wir, um uns dieselben zu veranschaulichen, einen botanischen Spaziergang vom Ufer bis zur Hacienda hinauf. Unmittelbar am Strande wachsen verschiedene salzliebende Pflanzen, theils Kräuter (besonders Chenopodiaceen), theils dornige Sträucher mit fleischigen saftigen Blättern; in einigen Buchten haben sich

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sogar Mangle-Gebüsche, mit Avicenien vermischt, angesiedelt. Alle diese Strand-undSalzgewächse scheinen mir von der Küste des Festlandes eingewandert zu sein, und vielleicht ist keine einzige Art derselben den Inseln eigenthümlich oder en demisch, während dies beim grössten Theil der übrigen Blüthen. pflanzen der Fall ist. – Wir steigen nun ganz allmählich zum Hause Valdisan's hinauf, welchen Weg man in 20 Minuten oder einer halben Stunde zurücklegt. Rechts und links, und so weit das Auge reicht, ist alles mit graulich weissem, an scheinend vordorrtem Gebüsch bedeckt. Sieht man aber recht zu, so findet man, dass die Sträucher in Blättern und viele felbst in Blüthen stehen, dass dieses winterliche Aussehen zu ihrem Charakter gehört und eine Anbequemung an den aus getrockneten Boden und das dürre Klima ist, in welchem sie nicht verschwenderisch mit Blättern umgehen können. Der ge meinste und vorherrschende Strauch ist hier eine Lantana (Verbenacee) mit kleinen weisslich-violetten Blüthendolden; da mit mischen sich zwei Species von Croton, aus der Familie der Euphorbiaceen. Aus diesem Gesträuch, das gewöhnlich 5 bis 6, selten 10 Fuss hoch wird, erheben sich vereinzelt dornige Algoroba: Bäume (Acacia-Art) von etwa 20 Fuss Höhe und sporadisch der „ Palo santo “, von dem ich keine Blüthen und Früchte und nur an wenig Eremplaren Blätter sah. Legterer ist, wie ich glaube, eine Terebinthacee und stimmt generisch und vielleicht selbst specifisch mit dem gleichnamigen Baum der Provinz Guayaquil überein. Seine Rinde schwisst bei der ges ringsten Verlegung reichlich einen harzartigen, stark nach Terpentin riechenden Saft aus. Der Palo santo ist der grösste Baum der untern Region der Insel (in der obern kommt er nicht vor), er erreicht den Umfang von 3 und die Höhe von 30 Fuss, hat aber gewöhnlich ein schiefes, knorriges, stark verästetes

23] Ein Besuch der Galápagos-Inseln. 279

Wachsthum. Wo die Rauhigkeit der Lavafelder und Lava wälle keiner andern Pflanze die Ansiedelung gestattet, da ve getiren dann besonders kräftig die „ Tunas “ und „ Espinos “, d. h. eine baumartige Opuntia und ein kolossaler Cereus (Säulenkaktus). Legterer sucht noch rauhere Stellen aus als die erstere, und frönt gewöhnlich die zackigen Lavaränder der Eruptionskrater und die aufgestauten Schlackenhügel. Es ist kaum begreiflich, woher die Wurzeln, die zwischen die glasigen, unzersekten Lavablöcke eingezwängt sind, ihre Nahrung beziehen. Die Opuntia Galapageia und der erwähnte Cereus (jie finden sich auf allen Inseln) geben der Landschaft ein ganz eigen thümliches, ich möchte sagen groteskes Gepräge, das vors trefflich mit den schwarzen schrundigen Lavafelsen und den darauf umherkriechenden Riesenschildkröten und Iguanen har monirt. Die Opuntia besisst grosse, ovale, zusammengepresste Glieder, welche bei jungen Exemplaren von furchtbaren, 3 Zoll langen Stacheln besesst sind. Nach einigen Jahren aber runden sich diese Glieder ab, und es bildet sich daraus ein schlanker, cylindrischer Hauptstamm, an welchem auch die Einschnürungen verschwinden. Die Stämme werden leicht 2 Fuss dick und über 20 Fuss hoch, haben eine rothbraune Farbe und sehen aus einiger Entfernung den Stämmen der Rothtanne ähnlich. Sie verlieren frühzeitig ihre Stacheln und häuten sich fort während in papierdünnen Blättern ab (wie die Birke), deren man 15 oder 20 lockere Lagen zählt. Ganz auf gleiche Weise bilden sich die ältern Aeste um. Die Stengelglieder alter Pflanzen besissen feine steifen Stacheln mehr, sind aber dafür mit Büscheln weicher Borstenhaare ganz bedeckt, wie eine Bürste, so dass man sie, ohne sich zu stechen, anfassen kann). Der


      (1) Dies ist nicht der Fall bei den Opuntien der andern Inseln, welche zeitlebens die starken Stacheln besissen und auch im Wuchs etwas

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mit fantigen Stengelgliedern versehene Säulenfaktus rundet seinen Hauptstamm ebenfalls ab, verzweigt sich candelaberartig und wird eben so hoch als die Opuntia. Seine röthlichen zwei Zoll langen Früchte locken nicht nur die Vögel an, son dern waren auch für mich oft ein föstliches Labsal in der Mittagshisse, wenn meilenweit in der Runde kein Tropfen Wasser zu haben war. Sie sind sehr saftreich und schmecken angenehm säuerlich. Die Früchte der Opuntia sind ungeniess bar, aber man behilft sich im Durst auch mit dem saftigen Fleisch der jungen Stengelglieder, welches allerdings etwas fade schmeckt. — Mit den aufgezählten Gewächsen habe ich die Charakterpflanzen der untern Region genannt. Hin und | wieder bemerkt man verdorrte Grasbüschel und Cyperaceen zwischen dem Gestein, einige frautartige Euphorbiaceen und vertrocknete Stengel einjähriger Pflanzen aus den Familien der Labiaten und Compositen. Wenn Darwin nur 10 Pflan zenarten in dieser Region (auf Chatham) zusammenbrachte, so muss er allerdings an einer sehr öden Stelle gesammelt haben; ich schässe die Zahl der Phanerogamen derselben auf 50 bis 60 Arten, wovon freilich nicht alle auf allen Inseln vorkommen, die meisten auf Albemarle. Von Kryptogamen bemerkte ich nur einige Stein-undBaumflechten; die wichtigste davon ist die Orchilla- oder Orseille-Flechte, welche auf die Zone von 0 bis 300 Fuss beschränkt zu sein scheint.

      Neben dem Hause Valdisan's befindet sich in einer Schlucht, die sich vom Cerro de paja herunterzieht, eine kleine Quelle, die einzige auf der Insel in so geringer Höhe, — fie versiegt aber an derselben Stelle wieder zwischen den Klüften


abweichen, wesshalb man vielleicht mehrere Species, oder wenigstens Va rietäten zu unterscheiden hat. Eine ähnliche Beobachtung machte ich beim Sereus.

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der Lava. Man hat drei oder vier Löcher im Gestein ausge höhlt und diese sind das ganze Jahr hindurch mit einem rei iten, herrlichen Wasser gefüllt, welches die Temperatur von 18° C. besikt, also jedenfalls auf einer unterirdischen Spalte von den höheri Bergen herunterkommt. Dieje Quelle wird von alten Feigen-undCirnela-Bäumen, Ueberresten der ersten Ansiedelung, beschattet, und von einer üppigen fraut-Vege tation umgeben, welche aber beinahe nur in zufällig einge schleppten Pflanzen (Garten-Unkraut) besteht.

      Wenn wir von dem Hause weiter hinauf gehen, so bleibt sich die Vegetation noch gleich bis zur Höhe von 600 Fuss; dann beginnen sich allmählich andere Sträucher, besonders aus der Familie der Compositen, einzumischen; die Algoroba und der Palo santo zeigen einen kräftigeren Wuchs; die Lantana verschwindet und die Faktus sind schon vorher zurückgeblieben. Auch der Boden bedeckt sich dichter mit Stauden verschiedener Art, aber alle haben noch immer das dürre, besenreisartige Ansehen. Nur die weissen Bartflechten (Usnea), welche hier die Baumäste bedecken und in ellenlangen Büscheln im Winde schaukeln, deuten auf etwas mehr Feuchtigkeit in der Luft. Sie charakterisiren einen Gürtel zwischen 600 und 800 Fuss, welcher die trockene und feuchte Region trennt, oder, besser gesagt, den Uebergang beider vermittelt, und aus weiter Ent fernung durch seine weisse Farbe in die Augen fällt.

      Nun gelangen wir zwischen 800 und 900 Fuss auf das Hochplateau neben dem Cerro de paja, und da ändert sich die Scene fast plösslich. Ein frischer feuchter Wind kommt uns von Osten entgegen, die kleine Ebene prangt im herrlichsten Grün wie eine Wiese, und immergrüne Wälder umsäumen sie und bedecken die Bergabhänge. Wir fühlen es am Gehen, dass wir einen ganz andern Boden unter den Füssen haben:

282 Theodor Wolf: [26

statt der fohlenfressenden Lavaschlacken eine weiche schwarze Dammerbe. Ich will hier sogleich bemerken, dass wir nicht etwa eine andere geologische Formation betreten haben, son dern dass diese fast plössliche Aenderung des Bodens und der Vegetation einzig und allein der grössern Feuchtigkeit, den atmosphärischen Verhältnissen dieser Region zu verdanken ist. Wo die Lava den zerstörenden atmosphärischen Einflüssen bei nahe entzogen ist, wie in der regenlosen untern Region, bleibt sie Fahrtausende lang frisch, und die Kraterränder sind so scharf, wie am Tag ihrer Bildung (fie erinnern an Monda vulkane, deren scharfe Contouren man auch durch Mangel atmo sphärischer Einflüsse auf dem Mond zu erklären pflegt), wäh rend dasselbe Material in den fortwährenden Nebeln und Regen, der höhern Zone rasch zersesst, die äussern Vulkan umrisse abgerundet und die Krater verwischt werden. Es bildet sich, wie überall aus basaltischem Material, eine gute Acker erde, und die Vegetation selbst, welche unter solchen Verhält nissen viel rascher Fuss- fassen kann und üppiger gedeiht, trägt nicht wenig zur immer fortschreitenden Zersessung des Gesteins bei, indem ihre Wurzeln mechanisch und chemisch einwirken.

      Ich habe mehrmals lange Lavaströme verfolgt, welche aus einer Region in die andere reichen, und konnte mich so bis zur Evidenz überzeugen, dass die verschiedene Bodenbeschaffen heit ihrer Oberfläche nicht Folge der Zeit, d. h. verschiedener Entstehungszeit, sondern einfach der erwähnten atmosphärischen Bedingungen ist; auf demselben Lavastrom kann man im obern Theil einen Garten pflanzen und im untern Theil mit Mühe über seine Schlackenkruste hinwegklettern.

      Wir sind von Westen auf das Plateau heraufgekommen, und da ist der rasche Uebergang wirklich auffallend, aber am Ostabhang der Insel, wo die feuchten Seewinde schief über

27] Ein Besuch der Galápagos-Inseln. 283

den langen Rücken heraufstreichen und sich die Dunstbläschen zuerst verdichten, geschieht der Uebergang allmählich, und die grüne Zone reicht etwas, tiefer hinab. Dasselbe ist auf Chat ham, Indefatigable und Albemarle der Fall.

      Kehren wir nach dieser Digression zu den Pflanzen zurück, so finden wir, dass der Wald vorherrschend aus dünnstämmigen, kaum 30 Fuss hohen Bäumen gebildet wird (Algoroba und Palo santo fehlen hier), von denen eine Art mit dornigen Zweigen und gefiederten Blättern den Sanguisorbeen angehört und an die Polylepis ") der Hochanden erinnert, und zwei Arten sind Compositen, deren Blätter und Blüthen im Habitus den Inuleen gleichen und ebenfalls den andinen Typus tragen. Ueberhaupt wird hier Jeder, der die. Flora Ecuadors kennt, unwillkürlich an die Hochländer erinnert werden, und sich in einer Höhe von wenigstens 9000 statt 900 Fuss glauben. Ich fand ungemein viel Aehnlichkeit mit den kleinen Páramo-Wäldern, nicht nur im Habitus der Bäume, sondern auch in den kraut artigen Pflanzen, welche den Boden, und in den Moosen und Flechten, welche die Bäume dicht bedecken. Von 8 Farrn kräutern, welche ich hier sammelte, sind 6 identisch mit Arten des quitensischen Hochlandes, ebenso zwei Lycopodien und ein Galium (oder Rubia), welches 20 Fuss hoch klettert und rothe Beeren trägt. Ja zwei Farrnkräuter versesten mich sogar in die liebe deutsche Heimath: der gemeine Adlerfarrn, Pteris aquilina und die Cystopteris fragilis (sie kommen auch in Quito vor)! Die Wälder sind licht und ohne Schling pflanzen, so dass man überall leicht durchkommt; sie sind viel fach von kleinen Grasebenen unterbrochen, auf denen der Rasen


      1) Die Polylepis-Arten sind die in den Anden am höchsten gehenden Bäume; sie bilden z. B. am Chimborazo noch kleine Wälder und ein zelne Gruppen in der Höhe von 13,000 Fuss.

284 Theodor Wolf: [28

kurz ist und fast nur aus Gramineen und Cyperaceen besteht. — Es ist kein Zweifel, dass die Vegetation, tross ihrer Eigen thümlichkeiten, im Ganzen einen südamerikanischen Typus besikt, sowohl nach den Gattungen als nach dem äussern Habitus; wodurch sie sich aber auf den ersten Blick von der Flora des Festlandes auch dem Nicht-Botaniker unterscheidet, ist die Kleinheit der Blattorgane, die Abwesenheit schöner Blüthen, die Seltenheit der epiphytischen Gewächse und das Fehlen der Lianen oder Schlingpflanzen. Die Schönheit der südamerika nischen Wälder in der äquatorialen Zone besteht grösstentheils in den herrlichen grossen Blattformen der Monocotyledonen, wie der Palmen, Musaceen, Zingiberaceen, Aroideen; alle diese fehlen. Was den zweiten Punkt betrifft, so fand ich auf dem ganzen Archipel keine einzige schöne oder auffallende Blume. Die Epiphyten sind nur durch zwei Tillandsien und zwei Orchideen mit unscheinbaren Blüthen repräsentirt, und von Schlingpflanzen wüsste ich nur einen Convolvulus zi1 nennen.

      Auf dem Weg zur Hacienda kommen wir über einen kleinen Bach, der links an den Bergen entspringt, sich aber bald in einem Sumpf verliert; er ist von Binsen und Kiedgräsern eingefasst und von Wasserpflanzen (Myriophyllum, Callitriche, Salvinia, Lemna) bedeckt. Dieselben Gewächse treffen wir an den kleinen Lagunen des Hochplateaus, welche nur austrocknen, wenn es mehrere Jahre hintereinander sehr wenig regnet.

      Wir könnten nun über der Waldregion noch eine dritte Zone unterscheiden, welche von Bäumen frei und nur mit grobem Büschelgras bedeckt ist; dieselbe ist aber auf Floreana nur auf die höchsten Berggipfel beschränkt, während sie auf der Chatham-Insel eine grössere Ausdehnung gewinnt.

      Die armseligen Hütten der Arbeiter der Hacienda haben nichts Einladendes, um so angenehmer ist ein Gang durch das

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bebaute Land. Es sind einige Morgen zum Schuss gegen das verwilderte Vieh (von dem nachher die Rede sein wird) mit einer dichten Orangenhecke eingefriedigt, und wie ein Garten von reinlichen Wegen abgetheilt und schön bebaut. Ich staunte über die grosse Fruchtbarkeit des Bodens und über die Leichtig keit, mit der sich hier Gewächse der heissen Zone neben jenen der gemässigten acclimatisirt haben. Man hat mit sehr vielen Pflanzen erst Versuche im Kleinen gemacht, andere werden bereits im Grossen gebaut. Neben dem herrlichsten Zuckerrohr, neben Manioc und Bataten, liefert ein Kartoffelfeld grosse mehlige Knollen; zwischen Baumwollen-undIndigostauden stehen prächtige Salat-undKohlköpfe (einer hatte 21/2 Fuss im Durchmesser!); Rettige, Möhren, Runkelrüben, Artischocken werden von der afrikanischen Banane (Guineo) beschattet; die Kebe schlingt sich am ostindischen Aguacate (Persea gratissima) hinauf; zerstreut stehen grosse Orangenbäume und Limonen mit goldenen Früchten überladen; vielleicht in keinem andern Theil der Welt gedeiht der Feigenbaum (Ficus Carica). so gut und trägt so reichlich, wie hier; schon erheben sich einige neu lich eingeführte Palmen. Kurz, von jedem Culturgewächs sollte man meinen, es befinde sich in dem ihm angemessensten Boden und Klima. Ja, wenn die Galápagos-Inseln in ihrer ganzen Ausdehnung so von den klimatischen Verhältnissen begünstigt wären, wie dieser kleine Fleck, auf dem die Hacienda steht, so könnten sie durch Cultur in ein wahres Paradies umgewandelt werden, und Flora hätte sie dann wahrscheinlich schon von vornherein nicht so stiefmütterlich bedacht. Aber leider beträgt das cultivirbare Terrain auf Floreana kaum eine Quadratmeile!

      Wenn ich nun auf die Zoologie dieser Insel zu sprechen komme, jo muss ich die allgemeine Bemerkung vorausschicken, dass die endemische Fauna eben jo arm oder vielleicht noch

1

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ärmer ist als die Flora, und ich glaube, dass es besonders diesem Umstande zuzuschreiben ist, dass sich neu eingeführte Pflanzen und Thiere so. leicht und rasch vermehren: sie haben mit den endemischen Arten keinen oder einen sehr leichten, Stampf um's Dasein " zu bestehen und fast gar keine Feinde. Es macht den Eindruck, als ob die Natur auf diesen jungen Inseln noch nicht alle Plässe mit endemischen Arten besesst hätte, und diese leeren Plässe werden von importirten Gattungen ein genommen, ohne dass die endemischen verdrängt werden müssen. Uebrigens ist die durch die Ansiedelungen hervorgebrachte Ver änderung im Pflanzen-undThierreich noch zu neu, als dass man diese lesste Behauptung, oder, vielmehr Vermuthung, ab folut nehmen dürfte; die Zeit muss lehren, in wie weit sich die alte Fauna mit der neuen verträgt. Wenn man ältere Reise berichte und selbst den von Darwin mit dem jessigen Status quo vergleicht, so findet man, dass einige Thierarten seltener geworden, oder auf einzelnen Inseln verschwunden sind, wie Ž. B. die Riefenschildkröte; aber diese Veränderung ist dem direkten zerstörenden Eingreifen des Menschen zuzuschreiben.

      Von Säugethieren kennt man mit Sicherheit nur eine einzige einheimische Art, einen kleinen Nager von der Grösse einer Ratte (Mus Galopagoënsis), der aber selten ist. Ich fand nur einnial, auf Barrington, den rostbraunen ausgetrock neten Balg dieses Thieres, ohne Kopf, wahrscheinlich der Ueber rest der Beute eines Bussard oder einer Eule. Man ver ficherte mir, es gebe Fledermäuse, und ich glaube es, habe aber keine gesehen und kann nicht sagen, ob dieselben endemisch sind. Darwin spricht nicht von eingeführten und verwilderten Säugethieren, mit Ausnahme der Mäuse und Katten, die sich leider nur zu sehr vermehrt haben. Ich schliesse daraus, dass die vielen verwilderten Hausthiere zur Zeit seiner Reise noch

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nicht existirten und erst nach der Auflösung der Colonie sich verbreiteten, denn sonst hätte jener genaue Beobachter über diesen interessanten Gegenstand nicht geschwiegen, welchem ich hier einige Zeilen widmen zu müssen glaube. Vollständig ver wildert und eingebürgert sind folgende Thiere: das Kind, die Ziege, das Pferd, der Esel, das Schwein, der Hund, die Kasse, das Haushuhn.

      Das Rind lebt in grossen Heerden auf den Hochplateaus und Bergen von Floreana und Chatham und seit einigen Jahren traf man auch einige Stücke auf dem Gebirge von Süd-Albemarle, ohne dass man wüsste, wie sie dorthin ge kommen sind. Auf Floreana schässt man ihre Zahl auf 800 bis 900, auf Chatham mag sich dieselbe auf 2-3000 Stück belaufen. Trossdem man durchschnittlich jeden Tag 3 bis 4 Stücke schiesst, scheinen sie eher im Zu- als Abnehmen begriffen zu sein. Es ist eine schöne, grosse, muthige Rasse, deren Stiere den Menschen oft angreifen, besonders wenn sie angeschossen sind. Auf Chatham hat man eine Anzahl Kälber eingefangen, denen die Kühe von selbst folgten und hält so eine bedeutende Heerde auf umzäumten Weiden. Es genügt übrigens, die Kälber in der Umzäumung zu halten; die Kühe, welche den Tag über auf die Pampas hinauf gehen und mit den wilden Heerden fraternisiren, kommen des Nachts unfehlbar zum Corral, zurück und lassen sich willig melken. Von Zeit zu Zeit bringt man ganze Schiffe voll lebend nach Guayaquil. Bei meiner Anwesenheit lieferten über 60 Kühe reichliche und ausgezeich nete Milch, aus welcher Räje bereitet wird. Ein Mann ist angestellt, um wildes Vieh zu schiessen und heisst der tirador; er tödtet hauptsächlich die alten Stiere und schont die Kühe (welche aber gewöhnlich fetter sind und besseres Fleisch haben). Ein grosser Theil des Fleisches geht verloren, das übrige wird

288 Theodor Wolf: [32

eingesalzen, an der Sonne getrocknet und nach Guayaquil ver schifft, sammt den Fellen, welche grösseren Werth haben, als die vom Festland, weil sie nicht von Insektenlarven durchbohrt sind wie diese, denn das Vieh hat auf den Galápagos-Inseln von der Insektenplage fast gar nicht zu leiden. Wie mir neu lich Kapitän Petersen erzählte, hat man im lezten Jahre auf Floreana angefangen, das Beispiel Chatham's nachzuahmen und Vieh zu zähmen; zur Zeit meines Aufenthaltes daselbst wurde es nur geschossen. Verwilderte Pferde gibt es, soviel ich weiss, nur auf Floreana (einige hat man gezähmt), desto häufiger sind die Efel auf dieser Insel, sowie auf Chatham, Indefatigable und Albemarle. Sie halten sich truppweise, zu 10 bis 15 Stück beisammen, des Nachts kommen sie an die Wasserplässe und feiern da ihre Orgien unter furchtbarem Geschrei, das mich oft aus dem Schlafe aufschreckte. Die iepigen Ansiedler halten ziemlich viele Ejel zu ihrem Dienst. So wild und muthig dieselben sich auch beim Einfangen ge berden, furchtbar um sich schlagend und beissend, so sind sie doch schon nach 8 Tagen die geduldigsten, genügsamsten Last thiere. Warum haben die Efel auf diesen Inseln die sonder bare Gewohnheit angenommen, sich wie ein Hund oder eine Kasse auf die Hinterbeine zu sessen s Auch der ernsteste Mann wird das Lachen nicht unterdrücken können, wenn er sie in dieser fomischen Positur gravitätisch auf den Pampas siken sieht. Die Ziegen sollen in der legten Zeit abgenommen haben, wie man glaubt wegen der wilden Hunde. Sie halten sich auf den rauhesten Felsen der Meeresküste auf und gehen nicht in's feuchte Hochland. Ich sah eine kleine Heerde auf der Cormorant-Spisse auf Floreana, eine andere auf Chatham, am Cerro de los chivos (Ziegenberg), der von ihnen den Namen hat, und ein paar vereinzelte auf der öden Barrington-Insel.

zzzz

Die Cormorant-Spitze auf Floreana von N.W. aus gesehen.
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— Schweine gibt es auf allen grösseren Inseln, am zahl reichsten sollen sie auf Santiago vorkommen und ihre Jagd soll nicht ohne Gefahr sein. Ich sah sie nicht im verwilderten Zustand, wohl aber einige gezähmte, die sich nicht vom ge wöhnlichen Hausschwein unterschieden. Eben so verbreitet und häufig ist der Hund, eine rothbraune schöne Rasse, von der Grösse des Fleischerhundes, die aber sehr leicht zähinbar und gutmüthig ist. Sie leben rudelweise in der oberen und unteren Region. In Guayaquil werden die Hunde von den Inseln geschässt. Die verwilderten Kassen auf Floreana und Chatham sind alle schwarz, was mir um so mehr auffiel, als diese Farbe in Guayaquil fast nie beobachtet wird. Es sind grosse schöne Thiere, die sich in den rauhesten Lavafelsen in der Nähe der Meeresküste aufhalten, und ich vermuthe, dass sie besonders den Krabben und selbst Fischen in den kleinen Wassertümpeln nachstellen (wenigstens sind die Stassen in Guayaquil ungemein lüstern nach Seethieren); übrigens bieten ihnen die so zahmen Landvögel, sowie Ratten und Mäuse, genug Nahrung.-Schliesslich bemerke ich noch, dass sich in den höchsten, unzugänglichsten Theilen von Floreana eine Anzahl ver wilderter Hühner aufhält. Alle die aufgezählten Hausthiere gedeihen, sich selbst überlassen, sehr gut in dem frischen ge sunden Klima, welches auch dem Menschen sehr zusagt.

      Ich hatte mir besonders vorgenommen, eine möglichst voll ständige Insektensammlung der Inseln zu machen und mich dafür eingerichtet; allein die Schachteln famen beinahe leer nach Guayaquil zurück, denn in dieser Thierklasse sieht es wohl am traurigsten aus, und einer meiner Freunde, ein grosser Insektenliebhaber, der Lust gezeigt hatte, die Reise mitzumachen, foll nur Gott danken, dass er zu Hause geblieben ist. Gleich in den ersten Tagen fing ich 4 Arten von Tagschmetterlingen,

290 Theodor Wolf: [34

die alle ziemlich häufig sind; aber bei dieser geringen Zahl blieb es auch. Ich traf dieselben auf Chatham, Indefatigable und Albemarle, und wahrscheinlich kommen sie auf allen grösseren Inseln vor. Merkwürdig ist, dass man sie besonders in der pflanzenarmen unteren Region findet, und dass die obere über haupt ärmer an Insekten (und folglich auch an Vögeln) ist, obwohl man das Gegentheil erwarten sollte. Der schönste Schmetterling ist ein Agraulis (Silberfalter), der sich kaum als Varietät von A. Vanillae des Festlandes unterscheidet. Sodann folgt ein Colias, den ich in Ecuador nicht beobachtet habe, der aber im Allgemeinen den Species der Hochanden ähn lich sieht; ferner ein sehr kleiner Lampides (Lycaenide), welcher in der Provinz Guayaquil gemein ist, und endlich eine ge schwänzte Hesperide (Goniurus), die mit keiner mir bekannten füdamerikanischen Art stimmt. Eine Sphing, die ich an Bord der Venecia fing, fönnte leicht zufällig mit hinübergekommen sein, und ist auch eine gemeine ecuadorianische Art. – In den Käfern kenne ich mich zu wenig aus, als dass ich die ende mischen Arten unterscheiden könnte; meine Sammlung enthält höchstens 15 oder 16 Arten, darunter mehrere mit zusammen gewachsenen Flügeldecken. Von zwei Heuschrecken-Arten (Acri dium) hält sich die kleinere in der Nähe des Meeres, die grössere im Innern der Inseln auf. Libellen sind häufig, aber nur in 2 oder 3 Species. Gleich ärmlich sind die Hymenopteren, Dipteren und Hemipteren vertreten. In den Häusern und in der Nähe derselben trifft man eine Unzahl von Schaben, Haus grillen und anderes Ungeziefer, welches ohne Zweifel mit den Schiffen eingeschleppt wurde. Dasselbe gilt auch von mehreren grossen Spinnenarten. Dagegen ist ein kleiner Scorpion ein heimisch, denn ich fand ihn allenthalben unter Steinen, auch auf den ödesten nie bewohnten Eilanden; ebenso ein sehr grotzer

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Scolopender (Tausendfuss) mit gewaltigen Zangen, dessen Biss sehr giftig sein soll. Er wird einen Fuss lang und gleicht der Scolopendra gigantea; sein Lieblings-Aufenthalt ist in den Spalten zwischen den rauhesten Lavablöcken, und am häufigsten trifft man ihn auf Chatham. Zwei kleinere gemeine Arten sind unschädlich. Der Scorpion und der grosse Scolopender sind wohl die zwei einzigen giftigen Thiere der Galápagos Inseln, vor denen sich der Mensch zu hüten hat.

      Auf Floreana beobachtete ich 7 Arten von Landvögeln, die Finfen nicht mit eingerechnet, denn von diesen weiss ich die Zahl der Species nicht anzugeben, da dieselben einander sehr ähnlich sehen und Männchen und Weibchen, Alte und Junge in der Färbung des Gefieders sehr abweichen, so dass ich nicht recht in's Klare kommen konnte. Ich glaube aber, dass man wenigstens 3 Arten unterscheiden kann. Die See und Strandvögel sind viel zahlreicher, aber weniger interessant, weil sie nicht endemisch sind, wie jene. Ich werde von den Vögeln später noch besonders sprechen, und füge hier nur bei, dass jedem Besucher der Inseln, sobald er das Land betritt, die grosse Zahmheit der einheimischen Landvögel auffällt. Viele derselben kommen neugierig herbeigeflogen, legen sich auf das nächste Gebüsch und betrachten den Menschen aufmerksam. Ein Schuss erschreckt sie nur für einen Augenblick, sogleich sind sie wieder da. Man braucht übrigens die Flinte gar nicht, und kann ihrer mit einer Gerte habhaft werden (manche fing ich mit dem Schmetterlingsnes); sie hüpfen oft auf einen hin gehaltenen Stock, und auf Albemarle haschte ich mehrere mit der Hand, die sich mir auf den Hut oder auf die Schultern gesesst hatten. Ebendaselbst konnte ich einen grossen Falken fangen (man kann sie zu Dussenden mit einem Knüttel todtschlagen) und hatte ich Noth, ihn von den Vögeln ferne zu halten, welche zum Präpariren

292 Theodor Wolf: [36

neben mir lagen. Von den Tauben kann man sich in kürze ster Zeit eine reichliche Mahlzeit verschaffen. Die See-undStrandvögel sind so scheu und schwer zu schiessen, wie an den Küsten des Festlandes; eine Ausnahme davon macht eine Lachmöve, welche unverschämt dreist und frech ist und auf Albemarle den Leuten das Schildkrötenfleisch aus den Hütten stahl, aber diese Möve ist den Inseln eigenthümlich, die meisten andern Seevögel nicht.

      Nur sehr langsam gewöhnen sich die Vögel daran, den Menschen instinktmässig zu fürchten und zu fliehen, aber noch langsamer scheinen sie dann den erblich gewordenen Instinkt wieder zu verlieren. Auf Floreana und Chatham werden die Landvögel schon seit einigen Jahrhunderten von Menschen häufig verfolgt (die Matrosen der anlegenden Schiffe machen sich ge wöhnlich das rohe Vergnügen, ihrer fo viel sie können zu tödten) und doch sind sie noch nicht klüger geworden, während umges kehrt die Seevögel noch so scheu sind, wie ihre von der Küste eingewanderten Vorfahren, obwohl die allerwenigsten der jessigen Generation das Festland (es sind keine Wandervögel) und auf mehreren Inseln nie zuvor einen Menschen gesehen haben. Man kann daher auf den Galápagosinseln aus der Zahmheit oder Scheu eines Vogels fast mit Sicherheit schliessen, ob er endemisch ist, oder nicht.

      Die merkwürdigste Thierklasse auf den Galápagos-Inseln sind die Reptilien, aber Floreana ist nicht der geeignetste Ort zu ihrem Studium. Schlangen habe ich daselbst keine gesehen, Eidechsen nur wenige am Meeresstrand und die grossen Schild fröten sind äusserst selten geworden, denn mit diesen hat die frühere Colonie gründlich aufgeräumt.

      Eines Tages machte ich einen Ausflug an das Meeres gestade südlich von der Playa prieta, wo sich ein grosser Lava-

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strom in's Meer ergossen hat. Im untersten Theil bietet der selbe einen äusserst wilden Anblick und es ist schwierig darüber hinwegzukommen, denn im Contakt mit dem Meerwasser bil dete die glühende Lava hohe gewölbartige Auftreibungen, Ein fenkungen, Höhlungen, Zerklüftungen 2c. Die Brandung hat das Ende dieses Stromes zum Theil wieder zerstört und einige Inselchen und Felsen abgetrennt. Zur Zeit der Ebbe gelangte ich über eine schmale Landzunge auf die grösste, flachgestaltete dieser Inselchen, welche von angeschwemmtem weissem Sand (zerriebenen Muschelschalen und Korallen) umsäumt wird, auf dem ein paar Skelette grosser Seehunde lagen. Hier lernte ich zuerst die höchst merkwürdige Meer-Eidechse kennen, welche nicht nur für den Zoologen, sondern auch für den Geologen Interesse hat, weil er in ihr den einzigen, jest lebenden Re präsentanten der Meer-Saurier erblickt, gleichsam den Ueber rest und Nachzügler jener gewaltigen Saurier, welche in den Urzeiten unseres Planeten eine so grosse Rolle spielten. Die Leute nennen das Thier, sowie auch die ihm verwandte Land species, Iguana, es ist aber von den ächten südamerikanischen Leguanen ganz verschieden, und bildet eine eigene, auf den Galápagos-Archipel beschränkte Gattung, Amblyrhynchus (Stumpfschnauze). Darwin hat die Lebensart beider Species vortrefflich geschildert1) und ich wüsste kaum etwas Neues bei zufügen. Der Amblyrhynchus cristatus kommt auf allen Inseln häufig vor und zwar nur in den rauhen zerklüfteten Lavabänken unmittelbar am Seegestade; am sichersten trifft man ihn zur Zeit der Ebbe auf den überschwemmt gewesenen Felsen, wo er sich gerne mit ausgereckten Gliedern sonnt. In dieser Stellung traf ich auf der oben erwähnten kleinen Insel


      1) 1) Naturwissenschaftl. Reisen. II. Thl., S. 159.

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eine Gruppe von 9 oder 10 Individuen. Die meisten hatten ungefähr 3 Fuss Länge, und der grösste, den ich dort fing, mass etwas mehr als 31/2 Fuss. Obgleich sie nicht scheu und an scheinend träge in ihren Bewegungen sind, verbargen sie sich doch rasch, als ich mich näherte, in den Lavaspalten, und wenn diese tief sind, so ist es schwer sie zu bekommen. Wenn man sie beim langen Schwanze ergreift, und sie sich im Loche mit ihren starken Krallen halten können, so gehört die ganze Kraft eines Mannes dazu, um sie herauszuziehen (der wie beim Pro kodil abgeplattete Schwanz ist ungemein stark und sehnigt, so dass er nicht leicht abbricht). Einige erreichten in der Eile keine tiefe Spalte und eilten dann dem nächsten besten Loch zit, das kaum den Kopf oder Vorderkörper barg. In dieser Stellung blieben sie unbeweglich, auch wenn man sie anrührte und reizte, scharrten höchstens einmal mit den Vorderfüssen, um das Loch zu erweitern. So fing ich gemächlich vier Stück und band sie wie Hunde an eine Schnur. Nie versuchten sie mich zu beissen, obwohl sie ein gutes scharfes Gebiss haben.

      Ich präparirte ein Skelett und einen Balg, und zwei hielt ich mehrere Tage lebendig, um sie zu beobachten. Sie frassen in der Gefangenschaft nichts von den vorgeworfenen Land pflanzen, und Darwin hat gezeigt, dass sie nur von Seealgen leben und den Meeresgrund in der Nähe der Küsten abweiden. Tross dieser sie auf's Meer anweisenden Nahrung und trofdem sie vortreffliche Schwimmer sind, stürzen sie sich, verfolgt, nie mals in's Wasser, sondern suchen sich am Land zu verbergen; überhaupt ist es selten, dass man sie im Meer beobachten kann, nur zweimal sah ich auf Barrington etliche Individuen aus dem Wasser an's Land steigen; der Magen eines derselben, das ich secirte, war gefüllt mit ganz frischem Seetang. Diese Meer-Eidechse ist ein hässliches Thier und erinnert beim

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ersten Anblick eher an die Molche, als an die kleinen flinken Eidechsen. Seine Farbe ist braunschwarz, auf dem Rücken verschieden, bald dunkler bald heller braun und grün marmo rirt und am Bauche gelblich oder röthlich. Im Trockenen erscheinen diese Farben schmussig, und das Thier nimmt sich im Wasser oder in Alkohol gesesst, schöner aus. Auf dem Kopf bildet die Haut einen geschilderten Panzer, dessen Schild chen mit hornigen Auswüchsen und Stacheln besesst sind. Vom Kopf läuft bis zum Schwanzende ein Kamm langer Horn stacheln. Der Kopfpanzer ist fest an die Schädelknochen an gewachsen und macht beim Abziehen und Präpariren der Haut Schwierigkeit. Die Ansiedler haben Abscheu vor dieser „ Igu ana de agua “ und benüssen weder Fleisch noch Fett derselben. Ihre Fortpflanzung ist noch unbekannt, und ich gab mir ver gebliche Mühe, Eier oder ganz junge Thiere aufzufinden. Ich glaube nicht, dass die übrigen Inseln verschiedene Arten der Meer-Eidechse besissen. Zuerst meinte ich eine wesentliche Verschiedenheit bei denen von Barrington zu bemerken, aber bei genauer Vergleichung fand sich nur, dass sie durchgehends kleiner waren und der Rückenkamm weniger lange Dornen hatte, was kaum einen Varietäten-, aber durchaus feinen Ar tenunterschied machen kann. Die Landspecies (Iguana de tierra) des Amblyrhynchus lernte ich erst auf Barrington kennen; auf Floreana scheint sie jesst zu fehlen und wurde vielleicht vom Menschen ausgerottet, da man sie ähnlich wie die Schildkröten benüsst.

      Bei meiner legten Anwesenheit auf Floreana (Anfangs Nov.) fuhr ich init Kapitän Petersen im Boot nach der Post-office-Bay. Dieselbe wird durch die Cormorant-Spise und die Daylight-Spisse gebildet, welche legtere unter dem Namen Punta del diablo bekannter ist. Die Küste, an der

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Playa prieta flach, steigt allmählich gegen Norden an und bildet an der lesstgenannten Spisse eine Wand von mehr als 200 Fuss Höhe, welche senkrecht in's Meer einfällt. Der obere Theil der Wand bietet den Durchschnitt eines mächtigen Lava stromes, welcher auf einer geneigten Kapilli-Schicht liegt und wie Basalt in die schönsten Säulen und Pfeiler abgesondert ist. Der Krater, welchem die Lava entflossen ist, erhebt sich in geringer Entfernung vom Rande des Absturzes beinahe 500 Fuss über das Meer. In der Post-office-Bay selbst ist das Gestade wieder flach und sanft ansteigend, und an man chen Stellen ist die Lava von einer schmalen Zone weissen Sandes bedeckt. Dies ist auch der Fall auf den zahlreichen Inselchen in der Mitte der Bay, welche zur Ebbezeit zum Theil mit der Küste zusammenhängen und die Trümmer oder höhern Theile eines Lavafeldes sind. Einige bestehen ganz aus schwarzer Lava und sind kahl, andere sind mit Sand und in diesem Falle mit Gebüsch und Salzpflanzen bedeckt. Die Bay ist ein Lieblingsaufenthalt der Robben; als wir auf den Inselchen ausstiegen, hielten viele derselben gerade ihr Mit tagsschläfchen und schnarchten laut. Wir wollten uns einige Felle verschaffen. Bekanntlich sind diese Thiere sehr unbehülf lich und watscheln mit ihren flossenartigen Vorderbeinen und schwanzartig umgewandelten Hinterfüssen nicht sehr rasch da von. Sobald sie Gefahr merken, geht es dem Meer zu, von dem sie sich nicht leicht mehr als 20 Schritte entfernen. Man schneidet ihnen den Rückzug ab, indem man sich an den Strand zwischen das Wasser und ihren Lagerplat stellt; dann machen sie unentschlossen Halt und richten unter dumpfem Brüllen ihren Vorderleib in die Höhe, um sich zur Wehre zu sessen. Ich möchte ihnen nicht unter ihr Gebiss kommen, welches sehr stark ist, allein man nähert sich ihnen ziemlich gefahrlos, und

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ein paar Schläge mit dem Ruder oder dem Flintenkolben auf die Naje ihren empfindlichsten Körpertheil töðten sie rasch. Ungereizt greifen sie nicht leicht an, doch sah ich selbst ein Beispiel. Kapitän Petersen war gerade auf dem Sande, ein paar Schritte vom Wasser, mit dem Abhäuten eines Kob ben-Weibchens beschäftigt, da fam plösslich ein grosses Männ chen, von der Grösse eines fetten Ochsen, brüllend angeschwom men, stieg an’s Land und stürzte sich so rasch es konnte auf den Kapitän los. Dieser rief mich herbei und ich schoss dem wuthschnaubenden Thier eine Ladung Vogelschrot in den Kopf, worauf es todt zusammenstürzte. Merkwürdig, dass diese gro ssen Robben so schwache Schädelknochen haben.

      Hier zu Land heissen alle Robben lobos (Seehunde oder eigentlich See wölfe). Aber die der Galápagos-Inseln gehören nicht zum Geschlecht Phoca, sondern zu Otaria (fie haben ein kurzes äusseres Dhr), und zwar gibt es zwei Arten. Die grosse, von der ich soeben gesprochen, welche bis 12 Fuss lang wird und die gemeinste ist, hat einfache kurze Behaarung, ist also ein Seelöwe; die zweite kleinere Art (5-6 Fuss), welche auf Albemarle und den Nord-Inseln vorkommt, besisst doppelte Behaarung, nämlich lange Borstenhaare und feine Grundwolle, es ist ein Seebär, und sein Fell ist werthvoller als das des Seelöwen, während lekterer viel fetter ist und mehr Thran liefert. Zeitenweise kommen eigene Schiffe zum Robbenfang nach den Inseln.

      Ich erbeutete in der Post-office-Bay auch viele See-undStrandvögel; einige der besprochenen Inselchen waren förmlich bedeckt mit deren Eiern und Jungen. Der merkwürdigste darunter war mir der Pinguin oder Fetttaucher (Apteno dytes) mit seinen federlosen Flügelstummeln, die ihm als Ru der dienen. Er schwimmt ausgezeichnet mit ganz unterge-

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tauchtem Körper, nur der Kopf ragt aus dem Wasser, und auch dieser verschwindet oft auf lange Zeit. Er watschelt wie eine Robbe an’s Land und klettert mit Hilfe der Ruderflügel auf die Lavablöcke hinauf. Da sieht man hie und da ganze Reihen unbeweglich, ein paar Fuss über der Brandung, in aufrechter Stellung sissen. Wenn er zu gehen versucht, be nimmt er sich sehr unbehilflich und wackelt mit den schlaff niederhängenden Flügelstummeln, um sich beim Fallen darauf zu stüssen, gerade wie ein Kind, welches anfängt das Gehen zu lernen, wesshalb man ihn hier sehr bezeichnend pajaro-niño (Kinder-Vogel) nennt. Die mitgebrachten Exemplare stimmen mit keiner Art, deren Beschreibung mir zugänglich ist, und es dürfte vielleicht eine neue Species sein, die ich kurz charakte risiren will. Dieser Pinguin ist oben schwarz, an den Seiten und gegen den Bürzel in's Schiefergraue spielend, unten von der Brust an silberweiss. Ein weisser Streifen läuft vom Flügelgrund durch die schwarzgrauen Seiten bis zu den Füssen. Flügel schwarz, Innenseite mit einem breiten, weissen Längs streifen. Kopf und Hals schwarz, Kehle weiss, ebenso ein schmaler Strich, der vom Schnabelwinkel durch's Auge läuft und sich in einem Bogen mit einem weisslichen Fleck an der Unterkehle vereinigt. Grösse 3 Fuss.

      Wir ruderten in die Bucht neben der Cormorant-Spike und gingen an's Land. Diese Spisse war mir geologisch in teressant, weil sie der einzige Punkt ist, an welchem ich etwas dem Vesuv und der Somma Vergleichbares sah, nämlich einen Schlackenkegel von einem ältern halbkreisförmigen Tuffkrater umgeben. Dennoch glaube ich, dass beide nicht in so direktem Verhältniss zu einander stehen, wie bei jenem italienischen Vulkan, und eher eine zufällige Verbindung genannt werden müssen; Taf. 3 gibt ein Bild des interessanten Berges.

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      Hinter Sanddünen befindet sich eine bedeutende Lagune von Seewasser, um welche sich durch starke Verdunstung denn sie wird nur bei Springfluth mit neuem Wasser gespeist Salzkrusten abgesesst haben. Mit leichter Mühe und einfacher Vorrichtung könnte man hier Salzgärten anlegen und viel Salz gewinnen. Uebrigens kommen ähnliche Lagunen auf allen Inseln in der Nähe der Küsten vor, und Darwin be schreibt einen Salzsee in einem Tuffkrater der Insel Santiago, in welchem das Wasser nur 3 bis 4 Zoll tief steht und auf einer dicken Lage von krystallisirtem weissem Salze ruht (ganz wie in den künstlichen Salzgärten von Santa Elena). Diese natürliche Saline ist allen Ansiedlern wohl bekannt und wird vielfach ausgebeutet. Unsere Absicht war, einige Flamingos zu schiessen, welche an der Lagune bei der Cormorant-Spike häufig sein sollten, allein wir trafen keinen einzigen. Es scheint, dass diese Vögel von Insel zu Insel wandern und sich nirgends ständig aufhalten, wenigstens versicherte mir ein alter sehr er fahrener Neger auf Albemarle, wo ich sie ebenfalls vergebens suchte, sie seien gegenwärtig auf Santiago und kehren erst in einigen Monaten wieder zurück.

      Schliesslich ruderten wir noch an die Onslow-Felsen hinaus, welchen man hier den Namen Corona del diablo gegeben hat. Es find spisse und sehr schroffe Lavafelsen, welche 50 bis 100 Fuss hoch, von einigen Säulenkaktus gekrönt, sonst aber ganz kahl sind. Ihre halbkreisförmige Stellung lässt vermuthen, dass sie die Spisse eines unterseeischen Schlackenfraters vor stellen. Am innern Rande des Halbkreises, wo sich eine nur ein paar Meter grosse Sandfläche – der einzige Landungs. plass – angeschwemmt hat, sollten wir nach Herrn Petersen mit Sicherheit die Meerschildkröte antreffen, und wirklich lagen da ungefähr 30 Stück beisammen, sich mit gespreizten Beinen

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auf dem Sande sonnend. Wir sprangen rasch aus dem Boot und drehten sie um, womit sie gefangen waren; nur ein paar hatten sich besonnen und entkamen in's Wasser. Es war die im ganzen pacifischen Ocean gemeine Art, Chelonia Mydas; aber die Exemplare waren meist klein, ein paar der grössten wogen ungefähr einen Centner, während man schon solche von 700 Pfund gefangen hat. Der Kapitän wollte etwas Schild krötenöl gewinnen und so nahmen wir 20 Stück in's Boot und fuhren nach der Playa prieta zurück.






C. F. Winterliche Buchdruckerei.

Source.
Theodor Wolf.
      "Ein Besuch der Galápagos-Inseln."
  Sommlung von Vortragen für das deutsche Volk.
Erster Band.
Heidelberg, C. Winter, 1879.
pp.257-300.

This volume is available at Google Books.


Last updated by Tom Tyler, Denver, CO, USA, Jan 3 2022.

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